INNOVATION

Von der Idee zur Serie ist es ein langer Weg

Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Aus strategischer Sicht kann es genauso sinnvoll sein, ein bereits etabliertes Wettbewerbs-Produkt mit der eigenen Expertise abzubilden. So wie beim Bremssattelführungsstift (Guide Pin). Ziel ist es, im kommenden Jahr mit dem Teil in Serie zu gehen.

Eines der Fahrzeuge, in denen der Führungsstift eingebaut ist: Mercedes-Benz Sprinter

Zum Einsatz kommt das Verbindungselement überall dort, wo es Bremsen gibt. Je zwei Führungsstifte (Guide Pins) pro Bremssattel führen diesen in eine Aufnahme, die die Auf- und Zubewegung des Bremssattels steuert. Schon jetzt produzieren die dazugehörigen Schrauben unsere Kolleg*innen in Museros. Weil das Teil unabhängig vom Verbrenner in jedem Fahrzeug gebraucht wird, ist es ein Produkt mit Zukunft.

Was vor rund zwei Jahren mit einer Projektstudie in Zusammenarbeit der Kolleg*innen aus den Bereichen Forschung & Entwicklung, Technology und aus dem Werk in Homberg begann, befindet sich heute mitten im Entwicklungsprozess. Und nähert sich der Zielgeraden: Aktuell laufen Freigaben für das Produkt mit dem Kunden Continental.

„Es ist das erste Produkt, das wir wieder selbst in Homberg zerspanen.“

Christoph Haust

Höchste Präzision

Von außen sieht der Guide Pin eher unspektakulär aus. Die Raffinesse wird auf den zweiten Blick deutlich: Das Verbindungselement hat ein Innengewinde im Kopf. Der Kopf selbst muss absolut eben sein, damit er flach aufliegt und den Bremssattel so gerade wie möglich führt. Am Schaft des Guide Pins befindet sich zusätzlich ein feiner Hinterschnitt für eine Dichtmanschette, die das empfindliche Bauteil vor Rost und Dreck schützt. Ziel ist es, so viel wie möglich umformtechnisch herzustellen, bei den beschriebenen Details ist es jedoch aufgrund von Präzision und Geometrie erforderlich zu zerspanen.

„Es ist das erste Produkt, das wir wieder selbst in Homberg zerspanen“, berichtet Christoph Haust, der Leiter des Projekts. Um dieses Know-how aufzubauen, arbeiten die Kolleg*innen in Homberg mit den Teams aus den Schwesterwerken in Turnov und Osterode sowie RSW zusammen. Sie besprechen aktuelle Probleme in Workshops und finden gemeinsam Lösungen. Mit dem Wissen wächst die Effizienz. „Das ist zwingend erforderlich, damit wir wirtschaftlich produzieren können“, so Haust.

Gemeinsam das Projekt auf die Erfolgsspur bringen: Das Guide-Pin-Projektteam aus Homberg

Neben der Zerspanung hat der Guide Pin weitere Besonderheiten. Am Schaft des Guide Pins befinden sich drei um 120 Grad versetzte Flächen. In deren Kerben kommt Fett, um das Ineinandergreifen im Bremssattel zu ermöglichen. Nicht zuletzt sind die Übergangsradien am Kopf genau zu bestimmen. Hierfür braucht es die passende Messtechnik. „Auch da mussten wir erst hinkommen“, berichtet Haust.

Neues Wissen für die Zukunft nutzen

Großer Pluspunkt: Das Gelernte lässt sich auf andere Projekte übertragen. Das gilt für die Zerspanung ebenso wie für die Messtechnik. Schrauben werden häufig optisch geprüft, beim Guide Pin reicht das nicht. „Unser Wissen bezüglich der Mess- und Prüftechnik von Schrauben ist sehr umfangreich. Allerdings passen die etablierten Verfahren nicht zu den Herausforderungen der CFPs, weshalb man das Thema frühzeitig im Projekt aufnehmen muss“, sagt Haust. In Zukunft werden Fragen wie „Was ist die richtige Mess-Strategie?“ oder „Wie misst der Kunde?“ bei hohen Präzisionsanforderungen von Anfang an eine Rolle spielen.

Im Projekt sind vom Maschineneinrichter bis zum Abteilungsleiter viele Kollegen involviert – teilweise haben sie Aufgaben zusätzlich zum Tagesgeschäft übernommen. Zu Beschichtungsfragen nimmt das Team die Expertise der Kollegen von GALOL in Anspruch und ist zusätzlich in Austausch mit externen Dienstleistern. „Der Zeitplan ist eng“, sagt Haust.

Was es außerdem braucht: Eine gesunde Fehlerkultur. Im ersten Kundentest brachte der Guide Pin nicht die gewünschte Leistung. „Gut, dass wir es jetzt wissen, so können wir noch reagieren,“ lautete in etwa die Antwort von KAMAX CEO Jörg Steins. Für Wachstum braucht es diese Haltung.

Von klein zu groß

„Wir betreiben aktuell einen großen Aufwand, weil wir viel lernen müssen“, gibt Haust zu. „Es gibt einige Player, die bei Guide Pins einen deutlichen Entwicklungsvorsprung haben. Wenn wir uns aber mit dem Produkt etablieren können, steigen wir bei neuen Plattformen oder Fahrzeugmodellen von Anfang an mit ein.“

Grund, sich auf die Schultern zu klopfen, gibt es bereits: Es ist eine Auszeichnung, dass KAMAX schon jetzt einen festen Auftrag hat und nach der ausstehenden PPAP Frei­gabe Serienlieferant für Continental wird. Schließlich ist der Guide Pin ein sicherheitskritisches Bauteil – viel kritischer geht es kaum. Expertise, Preis, Verlässlichkeit und Qualität dürften ausschlaggebende Punkte gewesen sein.

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KXpress