„Wir müssen unsere Themen jetzt angehen“
Seit einem halben Jahr wird die KAMAX-Gruppe von einem neuen Führungsduo geleitet: Mit Reinhard Rupprecht und Christoph Görtz haben wir zwei erfahrene Führungskräfte, die KAMAX-Wissen mit einer externen Perspektive verbinden. Zusammen bringen sie mehr als 50 Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie mit. Für die beiden steht das Jahr 2024 unter dem Motto: Fokus auf das Wesentliche. Damit wollen sie unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und KAMAX mittelfristig für eine stabile und erfolgreiche Zukunft ausrichten. Wir haben mit dem neuem GEB über die Prioritäten in diesem Jahr gesprochen, wo sie unsere Herausforderungen sehen und darüber wie sie persönlich mit dem Thema Fokus umgehen.
Herr Rupprecht, Sie kennen KAMAX nun schon ein bisschen und wissen, wie anstrengend die beiden letzten Jahre für das Unternehmen und die Mitarbeitenden waren. Was war für Sie ausschlaggebend die Position des Global CEO zu übernehmen?
Rupprecht: Ja, das stimmt. Für mich war die Entscheidung nicht einfach, aber dann doch recht klar: Bevor mir jemand „vor die Nase gesetzt wird“, den ich nicht kenne, der die Herausforderungen von KAMAX nicht kennt und uns dann wieder wertvolle Zeit verloren geht, mache ich es lieber selbst – auch wenn ich damit zunächst eine Doppelbelastung eingehen würde. Meine Frau war von der Idee anfangs überhaupt nicht begeistert: noch mehr Arbeit, noch weniger Zeit zuhause. Aber auch sie hat schnell gesehen, dass diese Aufgabe eine Chance darstellt und mir mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräume bietet. Ich war und bin überzeugt das Ruder bei KAMAX drehen zu können, sonst hätte ich den Job nicht angenommen. Ich bin mir aber auch darüber bewusst, dass die Aufgabe nicht einfach ist und auch einige unbequeme Entscheidungen zu treffen sind. Ganz entscheidend für mich waren die Menschen um mich herum. Einen Großteil des Führungsteams kannte ich schon, insbesondere das Europa-Team, bei dem ich mir sicher bin, dass sie auch erstmal ohne intensive Unterstützung klarkommen und die angestoßenen Dinge erfolgreich umsetzen werden. Somit kann ich mich beispielsweise kurzfristig verstärkt um die Themen in Lapeer und León kümmern. Außerdem habe ich Spaß an der Arbeit und freue mich, wenn ich Dinge bewegen kann!
Auch für CFOs sind diese Zeiten ganz besondere. Herr Görtz, was macht aus Ihrer Sicht die Rolle eines modernen CFOs aus?
Görtz: Um es ganz direkt zu sagen: Die finanzielle Situation ist aufgrund der hohen Investitionen und der Verluste der letzten Jahre sehr angespannt. Daher lag mein unmittelbares Augenmerk darauf, die finanzielle Situation stabil zu halten. Als Reinhard und ich die Leitung übernahmen, hatten wir beide ein sehr ähnliches Verständnis von dem, was getan werden muss – nämlich sicherzustellen, dass wir unsere geplanten Ergebnisse erreichen, Barmittel generieren und die Gemeinkosten – die allgemeinen Kosten, die nicht direkt mit der Herstellung unserer Produkte zusammenhängen – senken, um effizient und wettbewerbsfähig zu sein und eine Kostenstruktur aufrechtzuerhalten, die es uns ermöglicht, mit der Konkurrenz Schritt zu halten.
Apropos Verzahnung und Kosten, Sie haben für das Jahr acht Fokusthemen definiert, die vor allem zur Effizienz, Kostensenkung und Wettbewerbsfähigkeit beitragen sollen. Schaffen wir alles in diesem Jahr umzusetzen?
Görtz: Das war ja genau das Problem der Vergangenheit: das Management sich zu viel auf einmal vorgenommen hat. Wir müssen die Themen jetzt in die richtige Reihenfolge bringen, damit sie umsetzbar werden. Und vor allem müssen wir uns fokussieren – das heißt auch bestimmte Themen bewusst wegzulassen. Das sind schwierige Entscheidungen, weil hinter jeder Aktivität jemand steht, der viel Herzblut investiert hat. Ich kann aber nur an alle appellieren, den Erfolg des Unternehmens insgesamt als höchstes Ziel zu sehen, und nicht eine einzelne Initiative.
Rupprecht: Absolut ja, wir haben keine Zeit mehr länger zu warten. Wir müssen unsere Hausaufgaben jetzt schnell angehen. Viele der Maßnahmen sind schon im Geschäftsplan 2024 eingearbeitet und müssen erfolgreich umgesetzt werden. Die Werke machen hier wirklich einen tollen Job, haben klare und gute Pläne, auch mit kurzfristigen Zusatzmaßnahmen. Das sieht man auch in Lapeer, wo wir jetzt einen klaren Fahrplan definiert haben, den wir gemeinsam mit dem Team umsetzen. Bei meinen Besuchen vor Ort haben sich schon erste Erfolge gezeigt. Ich bin zuversichtlich, dass wenn wir jetzt dranbleiben, wir die Lage in den Griff bekommen werden. Aber die Kostensparmaßnahmen müssen auch die indirekten Bereiche betreffen, denn schlussendlich spiegeln sich diese in unseren Angebotspreisen wieder. Diesen Themen dürfen wir uns nicht verschließen, wir müssen jetzt damit starten gegenzusteuern. Denn unsere Wettbewerber sind häufig günstiger.
„Ich war mir sicher – und bin es immer noch – dass ich das Ruder bei KAMAX drehen kann.“
Reinhard Rupprecht
Ein Punkt aus dem Plan spricht die Führungskultur bei KAMAX an und will diese stärken. Herr Rupprecht, was macht für Sie gute Führung aus?
Rupprecht: Für mich ist es wichtig, dass wir Führungskräfte authentisch und nahbar sind, in dem was wir sagen und tun. Dass wir Freiräume bieten und vertrauen, dass Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Das gilt für mich genauso, wie für alle anderen Führungskräfte bei KAMAX. Gleichzeitig erwarte ich – bei klarem Ziel und Zeitrahmen – dass unsere Führungskräfte eigenständig und aktiv die Verantwortung übernehmen, um das Ziel auch entsprechend zu erreichen. Natürlich weiß ich, dass nicht immer alles glatt läuft. Für mich ist das kein Problem, solange es einen Plan gibt – „es führen viele Wege nach Rom“. Der beste Weg ist für mich, der den das Team gemeinsam geht – die Führungskraft muss dann entsprechend steuern und motivieren. Wir haben viele tolle Fachleute, die unterstützen, und auch meine Tür ist immer offen, falls Feedback gewünscht ist. Im Kern übernimmt man, bei der Entscheidung für eine Führungsrolle, aktiv Verantwortung für seinen Bereich. Und am Ende müssen wir alle irgendwie Freude am Tun und an der Zusammenarbeit haben.
Eigenverantwortung wird bei der Vielzahl an Herausforderungen, die uns bevorstehen immer wichtiger. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für KAMAX?
Rupprecht: Die Marktlage, insbesondere in Europa, wird noch schwieriger werden – für die OEMs, Tier 1 und uns Zulieferern. Wir rechnen fest damit, das chinesische Fahrzeughersteller Europa mit fertigen Autos bedienen und Marktanteile gewinnen werden. Die Verkaufszahlen unserer heutigen Kunden werden sinken, somit auch unsere verkauften Stückzahlen. Auch der steigende Kostendruck wird an uns weitergegeben. Wir werden noch stärker um Aufträge kämpfen müssen und am Ende wird dann der Preis entscheidend sein. Es ist erst der Anfang: Wir müssen uns jetzt schlank machen und für die Zukunft stabil aufstellen. Unser wesentlicher Vorteil ist, dass wir mit unseren Werken in China auch mit unseren Teilen in chinesischen Fahrzeuge kommen können. Diesen Vorteil müssen wir nutzen und den chinesischen Markt aktiv bearbeiten.
Görtz: Eine weitere Herausforderung ist die Konjunkturflaute und die damit einhergehende zurückhaltende Kaufbereitschaft – daraus folgt für mich, dass wir nicht mehr mit stabil wachsenden Umsätzen rechnen können wie früher einmal. Es bedeutet auch: Wir brauchen eine Kostenstruktur, die auch ohne Wachstum funktioniert. Also weniger indirekte und Gemeinkosten (Overhead) sowie einen größeren Fokus auf Projekte, die auf unser Kerngeschäft einzahlen. Das heißt aber nicht automatisch, dass kein Licht am Ende des Tunnels ist. Wir müssen unsere Chancen erkennen und nutzen. Wir haben sowohl im Kundenportfolio als auch in den Anwendungen für unsere Produkte im Auto noch große Potentiale.
Wie stellen Sie in diesem Umfeld sicher, dass KAMAX auch in Zukunft solide aufgestellt ist?
Görtz: Der 8-Punkte-Plan verfolgt genau dieses Ziel. Wenn wir in Zukunft stabil sein wollen, müssen wir uns ein paar Grundlagen wieder erarbeiten. Die Dringendsten zuerst – stabile Performance, Rückschläge vermeiden, Cash-Flow erzeugen. Damit erarbeiten wir uns den finanziellen Spielraum, den wir brauchen, um die größeren Themen anzugehen, zum Beispiel im Produktportfolio oder im Produktionsnetzwerk.
„Wir werden unsere Herausforderungen meistern, wenn wir die richtigen Prioritäten setzen und konzentriert bleiben.“
Christoph Görtz
Wie steht es um das Thema ESG?
Rupprecht: Primär müssen wir das Geld, das wir investieren, in Anlagen stecken, um den Instandhaltungs-Rückstand aufzuholen. Das ist wichtig, um operativ erfolgreich zu sein. Natürlich werden wir die Anforderungen, die Kunden und Banken in Sachen Nachhaltigkeit an uns stellen, auch erfüllen. Das ist eine Voraussetzung, um neue Aufträge oder Finanzierungen zu erhalten. Aber meine Hoffnung ist, wenn wir operativ besser arbeiten und wieder Gewinn erwirtschaften, dass wir dann auch mehr und gezielt in Nachhaltigkeitsthemen investieren können - über das Mindestmaß hinaus. Aber das Geld müssen wir uns erst verdienen.
Was machen unsere Wettbewerber anders? Was können wir von Ihnen vielleicht sogar lernen?
Rupprecht: Das ist eine gute Frage! Ich glaube, die haben früher angefangen ihre Hausaufgaben zu machen und sind teilweise schlanker und schneller als wir. Ein Beispiel: Wir haben ein Produkt, dessen Marge schlecht ist. Die erste Idee war viel Geld in eine neue Anlage zu investieren. Das haben wir abgelehnt und dem Team die Aufgabe gegeben nach Alternativen zu suchen. Erst nach erneuter Prüfung haben wir herausgefunden, dass wir bereits eine Maschine in einem anderen Werk haben, die uns helfen würde, die Marge von dem Produkt wesentlich zu verbessern. Die Maschine stand natürlich nicht komplett „leer“ rum, aber die Teile konnten problemlos verlagert werden. Nach etwa einem Jahr ziehen wir diese Maschine jetzt um. Da haben wir viel Zeit und Geld verloren, alleine durch langwierige Abstimmungen, Empfindlichkeiten, Freigaben, Silo-Denken etc. über Werksgrenzen hinweg. Da sind wir definitiv noch zu langsam.
Das ist wahrscheinlich auch etwas wobei uns der Fokusplan in Zukunft helfen wird: Schneller, bessere Entscheidungen zu treffen, weil die Kriterien klar definiert sind. Wenn wir schon beim Thema Fokus sind. Da kann ja jeder bei sich selbst anfangen. Wie sieht das bei Ihnen aus? Wie kommen Sie in den Fokus?
Rupprecht: Es ist natürlich nicht immer einfach, wenn viele E-Mails und Nachrichten reinkommen und mein Terminkalender knacke voll ist. Aber ich versuche mich immer auf eine Aufgabe zu konzentrieren und nicht zehn Dinge gleichzeitig zu machen. So versuche ich die Aufgaben einigermaßen nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu strukturieren. Natürlich kommen da einige ungeplante Dinge dazwischen und ich muss flexibel bleiben. Viele Dinge, zu denen ich eine Rückmeldung geben muss, möchte ich aber auch schnell bearbeiten, damit ich nichts verzögere. Da haben sich Teammitglieder Mühe gegeben, das hat für mich mit Wertschätzung zu tun diese Dinge auch nicht zu lange liegen zu lassen. Deshalb mache ich mir eine Agenda für den Tag, die realistisch ist und die arbeite ich ab – das kann auch schon mal später Abend werden, aber das gehört zu meiner Rolle dazu.
Görtz: Oh das ist eine gute Frage, weil mir das nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurde. Ich musste mir das erst erarbeiten. Du musst im Kopf aufgeräumt sein, wenn du das Essentielle erkennen willst. Was für mich funktioniert: frische Luft, Bewegung, Sport. Damit schaffe ich es, Abstand von den vielen Tagesaktivitäten zu bekommen und in den kreativen Modus zu kommen. Dann habe ich den Kopf frei, um die großen Prioritäten zu sehen und sie in den Fokus zu nehmen. Ich behaupte: jeder kann das. Du musst aber deinen passenden Weg dorthin finden.
Vielen Dank für die Einblicke und dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
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